Raubkunst?

Provenienzforschung zu den Sammlungen des MK&G

Zeitspanne
12.9.14 – 21.3.21
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Ein alter Schrank gefüllt mit Silberbesteck.
Teasertext

Die systematische Erforschung des Vorlebens der Dinge ist seit Jahren ein Schwerpunkt in der wissenschaftlichen Arbeit des MK&G. Nun gibt das MK&G einen Einblick in seine Aktivitäten zur Provenienzforschung. Die Ausstellung versteht sich als Momentaufnahme in einem Prozess kontinuierlicher Aufarbeitung und zeichnet die vielfältigen Biografien von rund 100 recherchierten Exponaten nach. Dazu gehören Kunstgegenstände mit gesicherten Provenienznachweisen aber auch solche, deren Herkunftsgeschichten ungeklärt sind oder für die noch Forschungsbedarf besteht. Die Exponate sind nicht nach kunstgeschichtlichen oder thematischen Aspekten, sondern nach ihrer Herkunft geordnet. So treten Netzwerke und Beziehungen, die Bedingungen des Kunsthandels und die Vorlieben einzelner Privatsammler zutage. Forschungsdokumente wie Auktionskataloge, Inventarbücher oder Kunstzeitschriften machen die recherchierten Wege für den Betrachter nachvollziehbar. Ein Parcours führt von der Präsentation zu weiteren Objekten in den Dauerausstellungen des MK&G. Der aktuelle Forschungsauftrag ermöglicht eine proaktive, systematische Recherche und konzentriert sich zunächst auf Kunstwerke, die während und nach der Zeit des Nationalsozialismus erworben wurden. Die Ausstellung und der begleitende Katalog sollen Transparenz über den Stand der Recherchen schaffen, aber auch den Blick für die eigene Geschichte und die Erwerbungskultur vergangener Epochen sensibilisieren. Damit rücken auch der Umgang mit außereuropäischen oder antiken Kulturgütern, die heutige Erwerbungspraxis der Museen und der weitere Forschungs- und Handlungsbedarf ins Bewusstsein. Das MK&G möchte diese wichtige wissenschaftliche Disziplin ergebnisunabhängig vorstellen und ihre Möglichkeiten und Grenzen aufzeigen. Der offene Umgang mit der eigenen Geschichte spielt in der Schau ebenso eine Rolle wie die Frage nach der historischen Verantwortung eines Museums.

Die Ausstellung wird ermöglich durch die freundliche Unterstützung der Justus Brinckmann Gesellschaft und der Claussen-Simon-Stiftung.

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Interventionen

Ein Marmorpaneel aus dem afghanischen Königspalast in Ghazni in der Sammlung des MK&G

Am 8. Oktober 2019 gibt das MK&G ein Wandpaneel aus Marmor an die Islamische Republik Afghanistan zurück. Herr Abdul Jabar Ariyaee, Geschäftsträger der Afghanischen Botschaft in Berlin, nahm das Paneel in Hamburg in Empfang. Damit ist das MK&G eines der ersten deutschen Museen, das ein Kunstwerk nach Afghanistan zurückgibt. Über die Prüfung von Fragen zum Kunstraub im Nationalsozialismus und kolonialen Sammlungen hinaus befasst sich das MK&G auch verstärkt mit jüngeren Erwerbungen. Die erforschte Zugangsgeschichte und die sich daraus ergebende Rückgabe des Paneels machen die Verantwortung der Museen und des internationalen Kunsthandels und ihren Umgang mit Objekten aus Raubgrabungen einmal mehr deutlich. Das Paneel gehört zu einem 78-teiligen Fries aus dem 12. Jahrhundert, der aus dem Innenhof des Königspalastes von Sultan Mas’ud III. in der Stadt Ghazni stammt. Ende der 1970er Jahre wurde das Paneel aus dem dortigen Rawza Museum of Islamic Art geraubt. Nach Jahren der Recherche, unterstützt von Wissenschaftler*innen der Universität Hamburg und der Sapienza Universitá di Roma, sowie der intensiven Zusammenarbeit deutscher und afghanischer Behörden, kann das Paneel nun seinen rechtmäßigen Eigentümer*innen übergeben werden. Vorerst soll es im Afghanischen Nationalmuseum in Kabul aufbewahrt werden. Mit dessen Museumsdirektor, Mohammad Fahim Rahimi, steht das MK&G in vertrauensvollem Kontakt. Seit November 2018 ist das Paneel in der Ausstellung „Raubkunst? Provenienzforschung zu den Sammlungen des MK&G“ zu sehen: Halb verpackt steht es in einer Transportkiste zur Rückgabe bereit. Die recherchierte Verlust- und Erwerbungsgeschichte des Paneels hat das MK&G im vierten Band seiner „Raubkunst?“-Reihe veröffentlicht.

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Die Bronzen aus Benin

Das MK&G hat die Herkunftsgeschichte der drei Benin-Bronzen aus seiner Sammlung erforscht und die Rolle des Gründungsdirektors Justus Brinckmann in diesem Zusammenhang offengelegt. Die Ergebnisse präsentiert das MK&G ab dem 16. Februar 2018 im Rahmen der Ausstellung „Raubkunst? Provenienzforschung zu den Sammlungen des MK&G“ und in einer begleitenden Publikation. Dass es sich bei den Bronzen um Raubkunst handelt, steht heute außer Frage. Britische Truppen beschlagnahmten sie 1897 zusammen mit anderen Objekten im Königspalast von Benin und verbrachten sie nach Europa. Justus Brinckmann erkannte die künstlerische Kraft und Präzision der Einzelstücke sofort. Als erster deutscher Museumsdirektor erwarb er Bronzen und setzte durch Vorträge und Veröffentlichungen eine intensive Erforschung der Benin-Kunst in Gang. Brinckmanns Begeisterung weckte auch das Interesse anderer Museen und löste einen regen, von Hamburg ausgehenden Handel aus. In der Hafenstadt Hamburg mit den in Afrika verankerten Handelsfirmen saß Brinckmann an zentraler Stelle und trat als Vermittler auf. Von den rund 50 Bronzen, die durch seine Hände gingen, blieben drei im MK&G. Ein großer Teil wurde in die Sammlung des Museums für Völkerkunde Hamburg abgegeben, anderes war zum Weiterverkauf bestimmt.

Für das eigene Haus hatte Brinckmann wenige Objekte vorgesehen, die einen beispielhaften handwerklichen und künstlerischen Umgang mit dem Material Bronze veranschaulichen sollten. Da die Sammlung des MK&G auch zu Lehrzwecken der im Museum ansässigen Kunstgewerbeschule genutzt wurde, hatte die kunsthandwerkliche Qualität der Objekte oberste Priorität. Mit dem Auszug der Kunstgewerbeschule Anfang des 20. Jahrhunderts ging diese didaktische Anbindung jedoch verloren. Es gibt heute keinerlei Hinweis darauf, ob und wie die Bronzen damals ausgestellt waren. Zuletzt waren sie 2010 in der Epochen und Kulturen übergreifenden Sammlungspräsentation „Body & Soul“ zu sehen und 2012 als Gäste in der neu aufgestellten Antiken-Sammlung einbezogen.

In der Kultur ihres Heimatlandes, dem Königreich Benin in Nigeria, werden sie nicht nur als Kunstwerke angesehen, sondern haben eine identitätsstiftende Bedeutung. Dieser Umstand verlangt nach einer angemessenen Würdigung ihrer ursprünglichen Bestimmung, die das Museum für Völkerkunde Hamburg im Kontext seiner Sammlungen besser leisten kann. Deshalb werden sie im Anschluss an ihre Präsentation im Rahmen der „Raubkunst?“-Ausstellung im MK&G an das Museum am Rothenbaum. Kulturen und Künste der Welt (MARKK) übergeben, das vor dem Hintergrund seiner umfangreichen Sammlung afrikanischer Kulturgüter und seiner ausgewiesenen Kompetenz den notwendigen Zusammenhang für die weitere Erforschung der Herkunftsgeschichte und den transnationalen Austausch mit Nigeria und dem Königshaus bietet.

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Silber aus ehemals jüdischem Besitz

Die Silberstände aus ehemals jüdischem Besitz bilden einen Themenschwerpunkt in der Ausstellung „Raubkunst? Provenienzforschung zu den Sammlungen des MK&G“, die seit 2014 zu sehen ist und auf großes Interesse stößt. Seit 1960 verwahrt das MK&G rund 3.000 Silberobjekte, die infolge einer Beschlagnahmeaktion während der NS-Zeit in die Sammlung des Museums gelangten. Dass dieses Silber aufgrund seiner Geschichte kein herkömmliches Museumsgut sein kann, steht außer Frage. Als Kultureinrichtung mit öffentlichem Auftrag möchte das MK&G diese Objekte nicht im Depot verstecken. Wie kann die museale Arbeit mit einem Kulturgut aussehen, das so unmittelbar mit dem jüdischen Leben und der Verfolgung verbunden ist, und das die Museen zugleich in die Pflicht nimmt, es jederzeit zurückzugeben, wenn Ansprüche geltend gemacht werden? Über diese Fragen möchte sich das MK&G im Rahmen eines Symposiums mit Wissenschaftlern aus Museen und historischen Forschungseinrichtungen sowie mit Vertretern jüdischer Institutionen austauschen. Das Publikum wird in Form von Workshops eingebunden. Das zweitägige Symposium greift zwei zentrale Aspekte auf: Die aktuellen Forschungen zum Silber aus ehemals jüdischem Besitz in Hamburg, Berlin, München und Wien und den Blick über die rein kunsthistorische-museale Ebene hinaus. In einer abschließenden Podiumsdiskussion sollen Ideen entwickelt werden, wie mit einem Museumsgut umgegangen werden kann und soll, das untrennbar mit dem Holocaust in Deutschland verknüpft ist.

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