Antijüdische Schmähschriften sind keine Erscheinung der Moderne. Die literarische Überlieferung hat in (Mittel)Europa eine weitaus längere Tradition. Seit der Medienrevolution um die Mitte des 15. Jahrhunderts erschienen deutschsprachige Pamphlete und Pasquille als Drucke, die (im Gegensatz zu den 'elitären' Handschriften) gewissermaßen 'Öffentlichkeit' hatten und insbesondere als Flugschriften an der 'Meinungsbildung' beteiligt waren.

Die vorliegende Arbeit aus dem Grenzbereich zwischen sprach- und kulturwissenschaftlicher Antisemitismusforschung untersucht die zeittypischen Argumentationsstrategien, Begründungsmuster und sprachlichen Darstellungsmittel in antijüdischen Schriften des Zeitraums 1450 bis 1700 (Sach- und Gebrauchsliteratur). Dabei werden die Texte nicht nur synchron nach ihren typischen inhaltlichen (Einzelargumente, Begründungsverfahren) und formalen Merkmalen (Stilelemente und -figuren) beschrieben, sondern auch unter historischer Perspektive auf ihre Überlieferungsleistung hin befragt, um Aufschluss über die Zusammenhänge von vormodernem (religiösem) 'Antijudaismus' und modernem (rassisch-säkularem) 'Antisemitismus' zu gewinnen.