Mira Siegelberg

Staatenlosigkeit

Eine moderne Geschichte
Cover: Staatenlosigkeit
Hamburger Edition, Hamburg 2023
ISBN 9783868543681
Gebunden, 400 Seiten, 40,00 EUR

Klappentext

Zweifellos gehört Hannah Arendt zu den bekanntesten Deutschen, die während der NS-Herrschaft ausgebürgert wurden; sie war mehr als ein Jahrzehnt staatenlos. Doch bereits der Erste Weltkrieg und der Zerfall europäischer Imperien hatte viele Menschen ihrer Staatsbürgerschaft beraubt. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte das Aufkommen massenhafter Staatenlosigkeit zu einer Rechtsordnung, die den Territorialstaat als grundlegende Quelle von Rechten etablierte. Die Historikerin Mira Siegelberg zeigt, wie und warum das Problem der Staatenlosigkeit zu einem neuen Verständnis der internationalen Ordnung im 20. Jahrhundert führte. Sie rekonstruiert erstmals die Geschichte dieser umstrittenen Rechtskategorie, die die Beziehungen zwischen Staaten und ihren Bürgerinnen und Bürgern neu definierte.Im Mittelpunkt ihres Buches steht der politische und rechtliche Umgang mit Staatenlosigkeit in der internationalen Politik. Dafür untersucht sie sowohl die Praxis zwischenstaatlicher Institutionen als auch rechtstheoretische Debatten seit dem späten 19. Jahrhundert. Gegenwärtig sind ungefähr 12 Millionen Menschen auf der Welt staatenlos.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.02.2024

Eine umfangreiche und äußerst "facettenreiche" Studie über Staatenlosigkeit liest Rezensent Milos Vec bei Mira Siegelberg: Auch durch Deutschland und Österreich geprägt handele es sich dabei vor allem um eine "Unrechtsgeschichte", liest Vec. Wer keinen Pass hat, hat keine  Rechte, die Autorin geht vom 19. Jahrhundert aus, um zu erklären,  wieso das so ist und wie sich die schwierige Situation verbessern  lassen könnte, erklärt Vec. Er lernt, dass Staatsbürgerschaft zunächst  eine "erstaunlich geringe Rolle" gespielt hat, was sich allerdings mit dem Ersten Weltkrieg und seiner radikalen Freund-Feind-Dichotomie ändert und in den 1920er und 30er Jahren mit dem aufsteigenden  Nationalismus nur noch extremer wird. Auch der Nansen-Pass für  Staatenlose und die Konferenz von Évian schaffen nur bedingt Abhilfe, die Angst vor Deportationen zum Beispiel bleibt bestehen, erfährt der  Kritiker. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg kommt es mit der Verabschiedung der Menschenrechte zu Verbesserungen, auch wenn Vec  sich da etwas ausführlichere Erläuterungen von Siegelberg gewünscht hätte - ebenso wie eine gründlichere Zitierweise. Angesichts der immer  noch circa 15 Millionen Staatenlosen weltweit aber eine wichtige  Lektüre, schließt er.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.07.2023

"Erhellend" findet Rezensent Michael Wolf Mira L. Siegelbergs Buch über die Geschichte der Staatenlosigkeit. Denn nicht erst seit aktuellen Flüchtlingsbewegungen sei das Thema ein heiß diskutiertes gewesen, sondern im Bereich des Völkerrechts schon immer ein wesentliches Zentrum, an dem sich Fragen um die Grenzen staatlicher Souveränität bündelten. So liest Wolf bei Siegelberg etwa vom Beispiel des "brisanten Gerichtsprozesses", bei dem der ursprünglich deutsche Ingenieur und Manager Max Stoeck nach dem Ersten Weltkrieg sich auf seine Staatenlosigkeit berief, um sich gegen seine Enteignung durch den britischen Staat zu wehren. Nachdem hier zugunsten Stoecks und damit für eine bedingungslose Anerkennungspflicht der Entscheidungen anderer Staaten entschieden wurde, wurden mit der Zeit Bedingungen eingezogen, zum Beispiel in Bezug auf eine soziale Angehörigkeit an den entsprechenden Staat, erfährt Wolf. Wie Siegelberg diese Wandlungen in der völkerrechtlichen Erfassung der Staatenlosigkeit darlege und dabei auf verschiedene "ideologische Vorannahmen" verweise, scheint dem Kritiker stichhaltig.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.06.2023

Das Phänomen der "Staatenlosigkeit" ist nicht nur ein juristisches, sondern vor allem ein moralisches Problem, das wird Rezensent Thomas Wagner mit dem Buch der Politologin Mira L. Siegelberg deutlich vor Augen geführt. Die Autorin beleuchtet das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven, lesen wir, und ordnet es historisch ein. Als Europa am Ende des Ersten Weltkrieges politisch neu strukturiert werden musste, sahen sich plötzlich viele Menschen mit dem Verlust ihrer Staatsbürgerschaft konfrontiert, erläutert der Kritiker, seitdem hat sich das Problem nur vergrößert. Millionen Menschen Leben heute ohne die rechtliche Sicherheit einer Staatszugehörigkeit, lernt er, und bald könnten es, in Folge des Klimawandels noch viel mehr sein.