Georges-Arthur Goldschmidt

Der versperrte Weg

Roman des Bruders
Cover: Der versperrte Weg
Wallstein Verlag, Göttingen 2021
ISBN 9783835350618
Gebunden, 111 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Verbunden durch das gemeinsame Schicksal von Bedrohung, Flucht und Heimatlosigkeit hat der Bruder Erich doch einen ganz anderen Weg als der Autor wählen müssen. Während Georges-Arthur zwischen den Sprachen und mit den Worten lebt, hat der Bruder unter Waffen gelebt. Unter Waffen schweigen die Musen! Er schloss sich der Résistance an, kämpfte mit bei der Befreiung von Paris und des Elsass und war schließlich Major in der französischen Kolonialarmee in Algerien. Dort beteiligte er sich sogar an dem Offiziersputsch gegen de Gaulle, der Algerien in die Unabhängigkeit entließ, und blieb dennoch bis zur Pensionierung Offizier. Danach arbeitete er noch viele Jahre als unauffälliger Mitarbeiter der Crédit Agricole. Über Jahrzehnte im Inneren zurückgehalten, war ein Geburtstagsbrief der Anlass, die verschütteten Erinnerungen an das Leben des Bruders aufsteigen zu lassen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.10.2021

Rezensent Christian Mayer begreift Georges-Arthur Goldschmidts Buch über den glücklosen älteren Bruder als Versuch des Autors, den entfremdeten Bruder zu verstehen. Mayer erinnert der Text an eine Erzählung von Uwe Timm aus dem Jahr 2003. Hier wie dort sucht der entfremdete Bruder Erfüllung beim Militär, hier wie dort ist das dem anderen fremd, stellt Mayer fest. Von einer "gestohlenen Kindheit" in Krieg und Exil erzählt Goldschmidt laut Mayer mittels vorsichtiger Einfühlung. Eine berührende literarische Biografie, findet er.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.07.2021

Rezensent Lorenz Jäger resümiert Georges-Arthur Goldschmidts Brudergeschichte mit Detailfreude. Für ihn liegen die Konfliktlinien zwischen den ungleichen Goldschmidt-Brüdern im Buch derart klar zutage, dass er sich fragt, ob hier nicht ein Rätsel vorliegt. Wie der ältere Bruder sich gegen die Konkurrenz durch den jüngeren wehrt, wie ihn die Ordnung und das Militärische anziehen, was ihn schließlich zur Fremdenlegion treibt, und er mit seiner gesellschaftlichen Zurücksetzung als Jude hadert, liest Jäger mit Spannung.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 24.07.2021

Rezensentin Cornelia Geißler ist erschüttert von Georges-Arthur Goldschmidts "Requiem" über seinen großen Bruder Erich. Auch wenn sie die Biografie der beiden Brüder bereits aus anderen Büchern Goldschmidts kennt (aus Deutschland wurden sie von ihren jüdischen Eltern zuerst nach Florenz und dann weiter nach Frankreich geschickt), berührt sie hier nun, wie der Autor dieses Mal durch die Perspektive seines älteren Bruders sich selbst bloßstelle: als Konkurrenten um die Liebe der Eltern, als launigen Effekthascher. Auch das anfangs schwierige Verhältnis zur eigenen jüdischen Herkunft der beiden Brüder interessiert Geißler sehr, ebenso wie die Gedanken, die Goldschmidt Erich in den Kopf lege: Was wäre aus ihm geworden, wenn er "Arier" gewesen wäre? Ein Gedenkstein für den großen Bruder des renommierten Holocaust-Schriftstellers, und ein Lehrstück darüber, was Flucht und Migration mit Jugendlichen anstelle, schließt die bewegte Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 23.07.2021

Rezensent Ulrich Rüdenauer liest Georges-Arthur Goldschmidts Buch über seinen älteren Bruder als grandiosen Abschluss eines Lebenswerks und zugleich als beklemmende Geschichte eines Verstoßenen. Wie der bislang in Goldschmidts Werk kaum beachetete Bruder plötzlich im Zentrum steht, wie der Autor dessen Zerrissenheit versucht zu begreifen zwischen Deutschland und der neuen Heimat Frankreich, Protestantismus und Judentum, Vergangenheit und Zukunft, scheint Rüdenauer tief zu berühren. Schmerzvoll erscheint ihm das spürbare Unverständnis zwischen den Brüdern, schmerzvoll auch, wie dem Autor merklich die Erinnerung schwindet.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 15.07.2021

Den Rezensenten Dirk Fuhrig hat dieses Buch sehr bewegt. Georges-Arthur Goldschmidt und sein Bruder Erich waren als Kinder 1938 erst nach Italien, dann nach Frankreich verschickt worden, um den Nazis zu entgehen. Zu einer Gemeinsamkeit fanden die beiden Brüder, die offenbar schon in der frühen Kindheit Rivalen waren, durch diese Ereignisse nicht, lernen wir. Der Bruder, erst ein deutscher Patriot, dann französischer Patriot, der den rechtsgerichteten Aufstand gegen de Gaulle, blieb in den Büchern Georges-Arthur Goldschmidts immer eine Leerstelle. Woher die Entfremdung genau rührte, erfahren wir nicht, erklärt Fuhrig. Aber die "vorsichtige Selbstbefragung" Goldschmidts, der sich kein Urteil erlaubt, macht das Buch für den Rezensenten lesenswert.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 03.07.2021

Rezensent Tilman Krause liest Georges-Arthur Goldschmidts neues Buch als Versuch des Autors, sich vom einst so nahen Bruder und seinem Lebensweg zu distanzieren. Wohlfeil, da der Bruder längst tot ist? Krause bleibt dem Autor angesichts des "Abwehrzaubers", mit dem Goldschmidt sich etwa von der Sympathie des Bruders für das antidemokratische Nachkriegsfrankreich absetzt, gewogen. Das Buch erscheint ihm als "eindrucksvolle" Erkenntnisleistung, Bruder-Denkmal und Abschluss von Goldschmidts autobiografischem Projekt. Mit dem Bruder im Zentrum füllt es zudem eine bisher klaffende Lücke, erklärt er.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.06.2021

Rezensent Paul Jandl entdeckt ein komplexes Bruderverhältnis in Georges-Arthur Goldschmidts neuem Roman, der für Jandl eine Fortsetzung des autobiografischen Projekts des Autors ist, nunmehr mit dem bisher vernachlässigten Bruder im Zentrum. Wie der Autor den Bruder romanhaft als Schicksalsgenossen (auf der Flucht vor den Nazis, in Heimen und Ersatzelternhäusern) und zugleich als Komplementär zu sich selbst entwirft, scheint Jandl höchst lesenswert des so entstehenden kontrastreichen Bildes wegen und der vielfachen möglichen Lektüren. Wie jemand wird, was er ist, durch die Geschichte oder das Verhältnis zur Sprache, kann Jandl hier exemplarisch nachempfinden.

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