Tagebuchschreiben als Praxis der Erfahrungsverarbeitung und Sinnstiftung.

Trotz schwierigster Umstände gelang es einer überraschend hohen Zahl von Insassen nationalsozialistischer Konzentrationslager, heimlich Tagebuch zu führen. Auf der Basis von ca. 50 deutschen, französischen, niederländischen und polnischen Texten von als »jüdisch« oder »politisch« Inhaftierten fragt diese Arbeit erstmals danach, wie die Diaristen ihrem »Alltag« im Lager sprachlich begegneten und welche Funktionen das Schreiben eines Tagebuchs in diesem Kontext erfüllte.
Im Gegensatz zu retrospektiv verfassten Texten bieten Tagebücher einen unmittelbaren Einblick in die Lebenswelt unterschiedlicher Opfergruppen im Lager. Dominique Schröder stellt dabei nicht was, sondern vor allem wie und warum die Insassen schrieben in den Fokus. Deutlich werden In- und Exklusionsmechanismen, Subjektivierungsformen und die Erfahrung und Artikulation von Zeit und Raum im Lager. Und schließlich wirft die Auseinandersetzung mit der Praxis des Tagebuchschreibens auch ein neues Licht auf die Frage nach der Unsagbarkeit des Holocaust.