Philon von Alexandria hat eines der umfangreichsten und vielseitigsten Werke der Antike hinterlassen, welches das hellenistische Judentum, das frühe Christentum und die Zweite Sophistik beleuchtet. Dennoch sind seine Persönlichkeit und intellektuelle Entwicklung ein Rätsel geblieben, weil er kaum etwas über sich selbst preisgibt. Maren R. Niehoff analysiert sein Œuvre im Hinblick auf das einzig fassbare Ereignis in seinem Leben, seine Leitung der jüdischen Gesandtschaft zu Gaius Caligula. Diese römischen Jahre (38-41 n.Chr.) markieren einen biographischen und geistigen Wendepunkt. In Alexandria war Philon eng an die jüdische Gemeinde angebunden und nahm an regen Debatten über die genaue Bedeutung des biblischen Textes teil, indem er Methoden der Homerexegese anwandte und textliche Probleme durch platonische Allegorien löste. Im Rahmen seines Aufenthaltes in Rom dagegen adressierte er ein breiteres römisches Publikum und öffnete sich der Stoa, die hier blühte und eine eigenständige, aktuelle Form angenommen hatte. Stoische Ethik und römische Historiographie gaben Philon Impulse, die jüdische Tradition völlig neu zu interpretieren. Die biblischen Erzväter und -mütter werden zu Helden seiner Biographien und nehmen Plutarchs Werk vorweg. Das jüdische Gesetz wird zu einem zentralen Anliegen und als Naturgesetz vorgestellt, was wiederum Implikationen für neutestamentliche Diskussionen zum Thema hat. Die englische Originalausgabe von Maren R. Niehoffs Buch wurde 2019 mit dem Polonsky-Preis für Originalität und Kreativität in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen der Hebräischen Universität in Jerusalem ausgezeichnet.