Wolfgang Hegener vermittelt einen umfassenden Einblick in das psychoanalytische Verständnis der vier Grundformen des abendländischen Antisemitismus: den christlichen Antijudaismus, den rassistischen, den sekundären sowie den islamistischen Antisemitismus. Es wird gezeigt, dass weder die vorchristliche Antike noch nicht-christliche Religionen wie der klassische Islam einen strikten Antisemitismus kannten. Er entstand in der Tradition des Christentums, sein zentrales Motiv liegt in der aggressiven und projektiven Schuldabwehr, seine Urszene in der Behauptung, »die Juden« seien Gottesmörder. Der Autor stellt dar, dass dieser Schuldvorwurf zwar historisch variiert wird, aber in seiner Grundstruktur erhalten bleibt. Des Weiteren untersucht er kritisch die Frage, ob nationalsozialistische Täter tatsächlich »ganz normale Männer« ohne jedes antisemitische Motiv waren. Er widmet sich außerdem der Entwicklung der psychoanalytischen Theoriebildung über den Antisemitismus in Westdeutschland anhand einer Analyse des Klassikers der Vergangenheitsbewältigung Die Unfähigkeit zu trauern von Margarete und Alexander Mitscherlich.