Der vorliegende Kommentar baut auf den neueren Erkenntnissen zur Textgeschichte des Jeremiabuches auf, die sich aus den Manuskriptfunden in Qumran und der Neubewertung der antiken Übersetzung des Buches ins Griechische (Jeremia-Septuaginta) ergeben. Hermann-Josef Stipp zeigt, dass sich das Jeremiabuch, mit historischer Tiefenschärfe betrachtet, als einzigartiges Zeugnis für das leidenschaftliche theologische Ringen um die korrekte religiöse Interpretation der tiefen Traumata erweist, die Juda im 6. Jahrhundert v. Chr. erlitt: die von dem Propheten Jeremia als gottgewollt propagierte Übermacht des babylonischen Reiches unter dessen König Nebukadnezzar; dann die totale militärische Niederlage mit der Zerstörung Jerusalems und des Tempels sowie dem Verlust des Königtums und der Eigenstaatlichkeit im Jahr 587; die Deportationen von Menschen und Tempelgeräten ins Exil; schließlich die Versuche zur politischen und religiösen Neukonsolidierung unter wenig ermutigenden Umständen ab dem Beginn der Perserherrschaft 539.