Die Führungsstruktur der deutschen Wehrmacht sei 'noch blöd-sinniger, als die besten Generalstabsoffiziere sie erfinden könnten, wenn sie den Auftrag bekämen, die unsinnigste Kriegsspitzengliede-rung zu erfinden.' Das sagte 1941 ein junger Major i. G. Sein Name war Stauffenberg. Was er damit gemeint hat, zeigt nun der amerikani-sche Historiker Geoffrey P. Megargee. Er legt die erste moderne, kriti-sche Gesamtdarstellung der Geschichte der Wehrmachtführung vor. Schauplätze dieser Geschichte waren vor allem das Oberkommando des Heeres und das Oberkommando der Wehrmacht. Hauptakteure waren Hitler und die höchste Generalität, insbesondere die Heeresfüh-rung. Auf alle Seiten wirft Megargee neues Licht. Differenziert unter-sucht er Strukturen und Machtverhältnisse sowie die Personen, die die militärischen Entscheidungen des Dritten Reiches fällten, und er zeigt, wie grundlegende Mängel und Fehler in den höchsten Kommandostellen die anfänglichen operativen und taktischen Vorteile der Wehrmacht zunichte machten. Ein außerordentlich illustratives Beispiel hierfür liefert das Kapitel über die täglichen Vorgänge in OKH und OKW während der Winter-krise vor Moskau in der Woche vom 15. bis 21. Dezember 1941. Megargee zerstört endgültig den Mythos, dass Hitler, seit 1938 Obers-ter Befehlshaber der Wehrmacht und seit 1941 auch Oberbefehlshaber des Heeres, den Krieg sozusagen im Alleingang begonnen und dann durch seine Fehler ganz alleine auch verloren habe, und dass umge-kehrt, hätte er nur auf seine Generäle gehört, alles ganz anders ge-kommen wäre – ein Mythos, den diese selbst sorgfältig gepflegt haben. Megargees Bewertung der militärischen Funktionselite und ihrer Mit-verantwortung für den Kriegsverlauf, für Fehler in Strategie und Or-ganisation, Logistik und Feindbewertung, ist wesentlich vielschichti-ger, und seine Ergebnisse sind für die Generalität nicht durchweg schmeichelhaft. Ein Buch, das zu den wichtigsten Neuerscheinungen der letzten Jahre über den Zweiten Weltkrieg gezählt werden muss.