Der Distrikt Radom war einer der vier Distrikte des 'Generalgouvernements Polen', die am 26. Oktober 1939 'für die besetzten polnischen Gebiete' errichtet wurden. Der Distrikt umfasste die ehem. Wojewodschaft Kielce und Teile der Wojewodschaft Lodz. Er war Standort kriegswichtiger Industrien und hatte einen hohen Anteil jüdischer Bevölkerung. Vom ersten Tag der Besatzung an wurde der Distrikt Radom Schauplatz einer rücksichtslosen Terror- und Vernichtungspolitik. In kaum mehr als fünf Jahren fielen ihr fast eine halbe Million Menschen zum Opfer, ein Viertel aller Bewohner der Region. Von den rund 360.000 jüdischen Bewohnern des Distrikts überlebten sogar nur wenige Tausend die deutsche Herrschaft. Die immer rücksichtslosere deutsche Politik - wirtschaftliche Ausbeutung, Zwangsarbeit, Deportationen und systematischer Massenmord - ließ den Distrikt neben Lublin zu einem Zentrum der polnischen Partisanenbewegung im Generalgouvernement werden. Die Besatzungspolitik im Distrikt Radom blieb in der deutschen Forschung bisher so gut wie unbeachtet. Robert Seidel legt mit seiner gründlichen und umfassend dokumentierten Studie nun ein überzeugendes Fallbeispiel für die Praxis des deutschen Besatzungs-, Ausbeutungs- und Vernichtungsapparates bis hinunter zu den Landräten und Kreisbehörden vor. Auf der Basis der einschlägigen deutschen und polnischen Literatur sowie aller in Deutschland und Polen zugänglichen Quellenbestände untersucht der Autor zunächst die Struktur des Besatzungsapparates (Zivilverwaltung, SS und Polizei, Wehrmacht) und anschließend die wirtschaftlichen Ausbeutungsmaßnahmen, vor allem die Maßnahmen der 'Arbeitseinsatzverwaltung' zur Ausbeutung der polnischen Arbeitskräfte, bevor er ausführlich die Terror- und Vernichtungspolitik von den ersten Repressionsmaßnahmen bis zur Durchführung der 'Endlösung' darstellt. Dabei werden Zuständigkeiten und Befehlsketten, Motive, Handlungsmuster und Handlungsspielräume der deutschen Akteure sowie deren stete Radikalisierung deutlich. Die Analyse von Herkunft, Ausbildung und Laufbahn der Entscheidungsträger in der Distriktsverwaltung gestattet weitere aufschlussreiche Einblicke in das Funktionieren des deutschen Unterdrückungsapparates in Polen.