Language:
German
Pages:
27 Minuten
Series Statement:
Baukunst
Series Statement:
Baukunst
Keywords:
Libeskind, Daniel
;
Berlin
;
Jüdisches Museum Berlin (1999-)
;
Museumsbau
;
Jüdisches Museum
Abstract:
Ein jüdisches Museum in Berlin. Wer denkt da nicht spontan an Adornos Verdikt über die Unmöglichkeit, nach Auschwitz noch Gedichte zu schreiben? Der Bau des Architekten Daniel Libeskind, der zwischen 1993 und 1998 in Berlin errichtet wurde, warf zunächst eine Frage auf, mit der sich die Architektur üblicherweise nicht auseinanderzusetzen hat - und zwar die nach den eigenen Grenzen. Wie kann man dort bauen, wo alles zerstört wurde? Wie kann sich Architektur mit Geschichte auseinandersetzen - und vor allem mit diesem Teil der Geschichte? Daniel Libeskind fand mit seinem Erstlingswerk eine sowohl direkte als auch indirekte, versteckte Antwort. Die direkte Antwort liegt in der äußeren Form des Gebäudes: eine expressionistische "Geste"; ein Zickzack; eine außergewöhnliche, gebrochene Linie; ein Bruch, der sich über die ganze bebaute Fläche erstreckt. Dies versinnbildlicht für den Architekten die Gewalt und die tiefen Brüche in der Geschichte der Juden in Deutschland. Versteckt hinter diesem Bravourstück expressionistischer Formgestaltung liegt ein anderes Gebäude, ein Geisterhaus, das sich dem Besucher sperrt, das sich nie ganz erschließen lässt. Der Architekt thematisiert hier Ungleichgewichte und den physischen Verlust von Bezugspunkten, der so weit gehen kann, dass er Unbehagen auslöst. Der Besuch des jüdischen Museums Berlin ist kein netter Spaziergang durch ein x-beliebiges Museum, sondern wird zu einer Belastungsprobe, deren einzelne Stationen Bezeichnungen wie "Holocaust-Turm", "Gärten des Exils" oder "Leerräume" tragen. Bei den "Leerräumen" handelt es sich um von außen nicht sichtbare Betontürme, die den gesamten Bau auf den oberen Ausstellungsgeschossen durchziehen. Die insgesamt sechs Türme unterschiedlicher Form sind völlig leer und unzugänglich. Im Innern des Museums untergebracht, bilden sie einen deutlichen Kontrast zu der reich bestückten Sammlung zur Veranschaulichung der langen Geschichte jüdischer Präsenz in Deutschland. Die "Leerräume" sollen für das letzte Merkmal des deutschen Judentums stehen: Abwesenheit. Zudem verkörpern sie eine Absage an jegliche Form der Nostalgie oder des Kommentars. Noch nie ist es gelungen, einen Bau zu konzipieren, der dem Widerspruch zwischen dem, was unbedingt gesagt werden muss und dem, was nie gesagt werden kann, in so vollkommener Weise Ausdruck verleiht. Die Entstehungsgeschichte des Jüdischen Museums Berlin - von den Berlinern "Blitz" genannt - war sehr bewegt. Es galt zahlreiche institutionelle Hürden zu überwinden. Heute ist es das meistbesuchte Gebäude der Stadt.
Note:
Produktion: 2002; Mitschnitt: arte, 5.7.2003
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