»Die Kinder der Stunde Null«

Sinnbild des Neuanfangs

Ausgerechnet am Erew Jom Kippur strahlte das Bayerische Fernsehen die sehenswerte Dokumentation Die Kinder der Stunde Null aus, die Tilmann Kleinjung, Redakteur im Ressort »Kirche und Orientierung«, nach »Sankt Ottilien, München, Jerusalem« (so der Untertitel) geführt hat.

Bei der Film-Preview am Vorabend war das Jüdische Museum am St.-Jakobs-Platz überfüllt, unter den Gästen waren IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, Fernsehdirektor Andreas Bönte, Abt Jeremias und der Klosterarchivar Bruder David aus St. Ottilien sowie David Stopnitzer, eines von 428 zwischen 1945 und 1948 im Jüdischen Krankenhaus geborenen Kindern in St. Ottilien.

ausstellung Die Begrüßung des Hausherrn Bernhard Purin, die Einführung von Evita Wiecki und die Moderation von Jutta Fleckenstein, beide Kuratorinnen der soeben zu Ende gegangenen Ausstellung über das Benediktinerkloster und seine jüdische Geschichte von 1945 bis 1948, machten deutlich, dass sich bei diesem Projekt historische Erkenntnis und emotionales Engagement aufs Innigste verbanden.

Gleiches drückt auch der Dokumentarfilm von Tilmann Kleinjung aus, der bereits als Schüler des Gymnasiums von Sankt Ottilien in seiner Facharbeit die Geschichte des DP-Krankenhauses und des zwischen Bahndamm und Kloster gelegenen jüdischen Friedhofs aufgriff. In den Jahren 2017 und 2018 konzentrierte Kleinjung sich auf ehemalige sogenannte Ottilien-Babys und befragte zwei von ihnen exemplarisch: David Avnir (ursprünglich Steingarten), Jahrgang 1947, und David Stopnitzer, geboren am 24. Mai 1946 in der Geburtsstation des DP-Krankenhauses St. Ottilien, wohin seine Mutter aus dem DP-Lager Landsberg gebracht worden war.

Fotos zeigen strahlende Frauen mit properen Säuglingen, Beleg für den Lebensmut der Holocaust-Überlebenden und den Willen zum Neuanfang, der in einem Babyboom gipfelte. Der gebürtige Krakauer Ben Lesser, bekannt auch als Zeitzeuge aus der History-Doku Die Befreier, erinnert sich dankbar an die Fürsorge, die ihn binnen zwei Monaten von einem bis aufs Skelett Abgemagerten in einen ansehnlichen 16-jährigen Jugendlichen verwandelte.

spannungen Von den Spannungen aus dem Nebeneinander von Kloster und jüdischen Pflegebedürftigen bekam er nichts mit. Der Benediktinerorden hatte in Sankt Ottilien erst die Auflösung des Klosters und die Einrichtung eines Wehrmachtslazaretts hinnehmen müssen. Dann machte die amerikanische Militärregierung daraus ein Krankenhaus für jüdische Überlebende und nötigte die Klosterdruckerei 1946 zum Druck eines Talmuds. Ganz unkompliziert war die Situation wohl nicht. Heute aber ist man stolz auf die erste Talmud-Ausgabe mit dem imprägnierten Davidstern.

Ein Symposium im Sommer 2018 brachte in Sankt Ottilien geborene Juden aus aller Welt an ihren Geburtsort zurück. Für den Chemieprofessor David Avnir aus Jerusalem und den Wahl-Münchner David Stopnitzer ein gutes Gefühl, weil sie ein Stück ihrer Familiengeschichte wiederfanden, wo so vieles aus dem Leben ihrer Eltern verloren gegangen war oder unausgesprochen blieb.

Bayern

Spaenle: Kampf gegen Judenhass in Verfassungen aufnehmen

Dies fordert der Antisemitismusbeauftragter in einem Schreiben an Fraktionschefs

 20.05.2024

Thüringen

Der stille Macher

Reinhard Schramm, der Vorsitzende der Landesgemeinde, feiert seinen 80. Geburtstag

von Blanka Weber  19.05.2024

Vogtland

Crowdfunding fürs Gedenken

Mithilfe einer Spendenaktion soll in Plauen an der wiedergefundenen Mauer der einstigen Synagoge ein Erinnerungsort entstehen

von Christine Schmitt  19.05.2024

Porträt der Woche

Von Teheran nach Hamburg

Armin Levy wurde im Iran geboren und kämpft heute gegen das Mullah-Regime

von Heike Linde-Lembke  19.05.2024

München

Demokratie unter Druck

Im Gemeindezentrum wurde im Vorfeld der Europawahl über politische und gesellschaftliche Herausforderungen für die EU diskutiert

von Luis Gruhler  19.05.2024

Literatur

Poetische Stimme Israels

Anlässlich seines 100. Geburtstags wurde im Lyrik Kabinett an den Dichter Jehuda Amichai erinnert

von Helen Richter  19.05.2024

Sport

»Diese Chance nutzen«

Doron Bruck über den erneuten Einzug des TuS Makkabi ins Finale des Berliner Fußballpokals

von Martin Krauß  17.05.2024

Ehrung

Margot Friedländer erhält Mevlüde-Genç-Medaille

Die 102-Jährige wird für ihre besonderen Verdienste im Kampf gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus geehrt

 17.05.2024

Berlin

»Keine Zeit zu trauern«

Auf dem Bebelplatz wurde eine Kunstinstallation eröffnet, die an das Leid der Hamas-Geiseln erinnern soll

von Pascal Beck  17.05.2024